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Hummeln im Arsch

Ob bei der Mafia im Libanon, als Reporter in Brasilien, Weißrussland und Pakistan, als Leichtmatrose auf deutschen und niederländischen Frachtern oder als Freiwilliger im Ukrainekrieg, unser Stammtischbruder Jonathan Stumpf hat in wenigen Jahren mehr Abenteuer erlebt als der Durchschnittsdeutsche in einem ganzen Leben.

Jonathan Stumpf

Über seine Abenteuer hat er kürzlich ein neues Buch mit dem Titel „Hummeln im Arsch – Abenteuer eines Getriebenen“ geschrieben. Hieraus möchten wir eine kleine Leseprobe über seine Zeit an der Front in der Ukraine vorstellen und sein Buch wärmstens empfehlen!

Lieber Jonathan, herzlichsten Dank für deinen Einsatz und deine Aufopferungsbereitschaft!

Leseprobe

Ein lauter Knall, ein metallisches Geräusch, dann dringt blauer Rauch in den kleinen Betonbunker ein, den die Russen hier hingestellt haben, bevor sie von den Ukrainern zurückgeworfen wurden. Zum wiederholten Mal hat eine Drohne eine Handgranate in unseren Graben plumpsen lassen. Genau vor die Stahltüre, die der junge Weißrusse, der hier das Sagen hat, glücklicherweise im letzten Augenblick zuziehen kann. Einmal schlägt sogar eine etwa fünfzig Zentimeter lange Stichflamme durch den Türschlitz. Der Plan für dieses Gefecht war simpel: Ein von der eigenen Artillerie vorbereiteter Sturmangriff auf ein von den Russen gehaltenes Gebäude sollte Putins Truppen zur Flucht bewegen. Zur Unterstützung des Angriffs standen außerdem zwei Panzer und mehrere Schützenpanzer bereit. Der Auftrag unserer vierköpfigen Granatwerferbesatzung lautete: Nachschub- und Rückzugswege der Russen abschneiden. Da uns das mit der Zerstörung eines Pickup-Trucks und der Beschädigung eines weiteren Fahrzeugs auch gelungen ist, haben sie drüben jetzt ein gesteigertes Interesse an unserer Neutralisierung.

Nachdem zunächst Mörser- und Artilleriegranaten in unmittelbarer Nähe zu unserem Graben eingeschlagen sind, schickt der Feind jetzt Drohnen, an denen Handgranaten baumeln. Offenbar wechseln sich zwei Drohnenpiloten ab, denn die Abstände, in denen diese verhassten Blecheier in unseren Graben fallen, sind kurz. An einen weiteren Einsatz unseres Mark-19-Maschinengranatwerfers ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu denken. Als dann auch noch ein russischer Panzer auf unseren Bunker schießt, vergräbt der junge Weißrusse sein vom Krieg gezeichnetes Gesicht in den vor Dreck starrenden Händen und murmelt apathisch „That’s bad. That’s very bad.“ Mein Blick wandert zu dem jungen Schweden, der mir gegenübersitzt und sich bedächtig mit dem Handrücken übers Kinn streicht, dann zu dem noch jüngeren Österreicher. Nur zwanzig Jahre hat er auf dem Buckel und ist erst vor einem Monat zu unserem Haufen gestoßen. Beide verziehen keine Miene. So endet es also, denke ich. Ich bin in diesem Moment vollständig davon überzeugt, dass ich diesen Tag nicht überleben werde. Wir sitzen ja in der Falle. Der Feind weiß, wo wir sind und setzt offenbar alles daran, uns auszuschalten.

Ich reflektiere in dieser Situation noch einmal ausgiebig über die Gründe, derentwegen ich mich in dieser misslichen Lage befinde. Freilich, ich hatte schon vor dem Krieg Bekannte in der Ukraine, bin gegen die russische Aggression und ziehe das Leben in einem Rechtsstaat dem Leben in einer Autokratie vor. Trotzdem waren diese Gründe mitnichten ausschlaggebend für meine Entscheidung, den ukrainischen Streitkräften beizutreten. Viel entscheidender waren Abenteuerlust und die Hoffnung, meine Karriere als Schriftsteller könne durch diesen Schritt befördert werden. Ich bin zwar ein wenig traurig, war in meinem Leben aber schon viel trauriger als in dieser scheinbar ausweglosen Lage. Es ist eher so etwas wie Bedauern. Bedauerlich finde ich beispielsweise den Umstand, das Tal der Könige nie besucht zu haben und nicht auf der Chinesischen Mauer spazieren gegangen zu sein. Gleichzeitig frage ich mich, was bloß mit unseren eigenen Panzern los ist. Eine Stunde zuvor noch hatte ich einen der beiden sowjetischen Tanks unmittelbar neben unserer Stellung gesehen.